Dienstag, 7. Oktober 2014


 Unschuld vom Lande

Wollwebende Unschuld vom Lande
Vollbringt große Taten
Geht ins Feindesland
Meerumschlungen und geistdurchwindet
Sucht sie ihren Weg durch verschlungene Pfade
Des undurchdringlichen Urwaldes
Die so anders als früher
Undurchschaubare Gesetze und coole Masken
Herrschen hier und nichts ist an seinem Platz
Verloren und verratzt kreucht sie hoch die Treppe
Aber auch dieses sind kleine Taten
Angesichts der Morgensonne, die da leuchtet
Gen Himmel im Osten
Den zu sehen sie manchen Ortes wünscht
So komme nun Geist und zeige dein Gesicht
Bringe Zuversicht, dass Pläne hier geschmiedet
Vollenden sich zur Zufriedenheit der Götter
Und Zeichen goldenen Anscheins
Rollen über die Bühne
Und alle Statisten krümmen sich vor Lachen
Wer da agiert, ist lachhaft ob der Fehler
Aber voll hehrer Absichten stiefelt er weiter
Und versucht wie Hans im Glück
Alle Taler einzutauschen



Vom Wandel im Leben

Als Kind
bunte Flecken auf Bilder gemalt
und mit den Freunden Ringelpietz im Garten getanzt.

Als junge Frau
die Grenzen des Lebens immer wieder neu ausprobiert
und die Seelenkratzer hinter’m Schildkrötenpanzer versteckt.

Um jetzt, im Alter, beschützt zu sein,
von bunten Bildern, kreisenden Tänzen,
wahren Seelenfreunden und zerkratztem Panzer.

Die Glückliche.


Spuren

Nashörner stieben vorbei
Dumpfes Getrampel wirbelt Staub auf
Und wenn alles vorbei
Sieht jeder verwundert hinterher
Was bleibt, sind Spuren im Sand
Und irgendwie ein penetranter Geruch.


Es wird Herbst im Innern
Fallobst sicher fallend ins moosige Gras
Blaubeeren verstreut im grünen Bodenkraut
Dunkler Wald, verschluckend meine Hilferufe
Enger Pfad durch’s Dickicht
Take me by the hand, come on
Versuche die Brücke zu überwinden gescheitert
Es ist so phlegmatisch die Chose
Aber wie Kornfelder wiegen sich sanft im Wind
Und die Blätter fallen leise ins taufrische Gras
So vergeht der Sommer langsam
Und Herbst kehrt ein in die Herzen
Und damit ein Mildern der Schmerzen


Die Raupe
Die sich endlich mal verpuppte
Die sich endlich mal zum Schmetterling
Der endlich mal ...





Verborgene Schätze

Verlorene Schätze, die da liegen
Im Wald und unter der Erde
Vorboten der Götter Schaffenswerke
Stilisiert und wunderschön in ihrer Grazie
Es ist so rätselhaft, was das bedeutet
Lass dich hernieder
Du Engel des Erkennens
So musste schlafen, was dort liegt
So musste alles werden
Was schwer wiegt
Ich sehe deutlich das, was ist
Und langsam wird klarer
Wo Schätze zeichnen ihre Muster
Unter Laub bedeckte einsame Gestalten
Wieder entdeckt und ausgegraben
So ist das Leben endlos
Und wir graben nach Geschichten
Die wir brauchen, um zu verstehen



Schicksal und Chance

Scherben zerbersten
Lufthauch, der mich umweht
Bilder kommen und gehen
Verlorene Seelen
Schmerzen ohne Ende
Tagelöhner helfen sich bis zur Wende
Was mutet man manchen zu
Geduld zu üben
In Schwere zu wandeln und
Nehmen das Schicksal an
Als Gottes Wille
Als Chance für uns Menschen


Unser Weg

Wir sind auf dem Weg
Und alles ist im Fluss
Der Engel, er ruft uns
Der Teufel, er sucht uns
Aber wie Sieger finden ihren Weg
Werden wir gehen sicher suchend
Und landen dort, wohin Phönix
aus der Asche stieg empor



SICH ändern
Reines Weiß lieb ich nicht
Der Farben jeglicher Couleur
Passen zu mir und meinem Wesen
Das sich fast verlor
Und dennoch wieder stieg empor
Zu Phantasie und Witz
Ach, ich will mich ändern, potzblitz
Will wieder durchlässig werden
Für meine Strahlen
Des Engels über mir
Der unablässig an mir baut und schaut
Dass alles verläuft
In gerader Linie zu dir



Lebenswege

Episoden des Lebens
Wahrlich humoresk
Verschlungene Pfade
Die wir gehen
Wir Menschen
Die sicher suchend im Nebel
Tastend ob der schemenhaften Wesen
Die da groß und dunkel
Plötzlich riesenhaft sich auftürmen
Zu Dies und Das
Wieder lichter werden
Wieder leichter werden
Volle Kraft voraus
Es sind die kleinen Dinge
Die entzücken
Es sind die inneren Werte
Die beglücken
Die Mühlen mahlen unaufhörlich
Das Korn knirscht zwischen den Steinen
Und mit großer Gewalt wird Mehl
Was Mehl werden soll
So auch ich



Mut zeigen


Versuch’s doch mal
Tanze nicht nur im Kreis
Glaube an das Schönste in dir
Die Wogen glätten sich, einerlei
Es ist schwer, das zu erreichen
Aber vieles in Gemeinschaft fällt leicht
Und der Mut der Frauen ist zu bewundern
So ist Glut da, mein Freund
Und dieser Herbst wird lichten, wie mir scheint
Und all das Malen und Dichten
Das hier entstand
In schweren und leichten Stunden
Wird glänzen
Ohne Grenzen.


Was wiegt schwer
Gefängnismauern im Staate Nirgendwo
Kleinwüchsige Meerjungfrauen in Central City
Bauernweisheiten und Naturburschenmanier
Kleinstädtische Pseudofreiheit
Gegensätze wie eh und je
Wenn ich in ihre Seelen seh
Ein Staunen ob des Fernwehs
Raus aus den Fesseln und los ab hier
Das Leben ist eine Waagschale
Und was mehr Gewicht, geht zu Boden



Durchlässig werden
Wenn man noch nicht erpicht
Auf Durchlässiges
Geht man zu Grunde
Doch so werde ich nicht enden
Denn du bist es, für den ich mich ändere
Von den ganzen Jüngern
Erntet derjenige die Krone
Der bettelarm geht seinen Weg
Und nicht geblendet von Macht und Ruhm
sich vergleicht mit diesem oder jenem
So brauchen wir den Einsatz aller Kräfte
für das Gute dieser Welt
Es ist jetzt wahrlich genug der Mächte
Die verhindern ohne Unterlass
Dass du hockst auf jener Stelle
Und es dauert mich
Zu sehen, wie kristallklares Wasser
Unverrichteter Dinge fließt hinab
Und weder du, weder ich
Können uns laben an ihm
So lichte dich, du undurchdringlicher Wald
So zeige uns den Weg, der führt zum Ausgang bald



Impulse ergreifen

Versteckte Hinweise sind es
Die mir imponieren
Boten aus einer andren Welt
Alles deutet auf eine Lösung
Ganz andrer Art
Doch wie wir versuchen stets
Da zu sein, wenn es gefordert
Ist es das Gebot der Stunde
Die Impulse zu ergreifen
Wie ER will
So wir denn in der Lage
Und so es uns gefällt


Aufrecht gehen
Liebeshymnen und Nachtgesänge
Glauben an Unmögliches
Gottes lange Hand währt ewiglich
Wer wohnt in falschen Stätten
Muss sich nicht wundern
Wieso verlässt ER seinen Schlitten
Und fegt herbei und droht:
Gehe aufrecht deinen eignen Weg
Verliere niemals dein Gesicht
Denn so wichtig in unsrer Zeit
Ist es, dass wir wandeln
Wie die Flamme glüht
Und wird nie ausgeblasen
Und leuchtet in der Dunkelheit den Weg
So weise den Ausgang Geliebter
Und halte mich in deinen Armen
Und tröste mich
Trotz all der Tränen
Die da fielen Nächte lang
So wird mir geholfen
Angesichts der Liebe von dir

Wunder

Schwanengesänge sind es, die ich höre
Flügel fallen vom Himmel
Echnaton erinnert mich an seins
Ich falle in Ohnmacht vor Scham
Warum fahren wir nicht zu zwein?
Es ist alles in Schutt und Asche
Aber lauter Hindernisse in dieser Welt
Verändern ihr Gesicht
Und es geschieht Wunder
Wenn die Sonne scheint am Himmelstor
Goldener Wagen rollt über lange Bahnen
Durch schleierhafte Wolkenbänke
Auf die Erde hernieder


Der Weg zur Kunst

Schafsherden werden getrieben
Honigsüßes Lamm voran
Bauer sein nach Belieben
Das war doch immer mein Plan
Wohin sind die Wolken gezogen
Wo weht der Wind
Ich habe im Leben vieles erwogen
Und nun bin ich bei der Kunst, mein Kind




Spuren
So lange Fußstapfen die Erde säumen
Gehen Menschen ihre Wege
Weinend stehe ich am Rande
Und verweile in meiner Position
Wohin gehe ich im Strudel dieser Spuren?
Die da Muster ohnegleichen
Hinterlassen allerorten
Es ist so verwirrend ob der Möglichkeiten
Und mir fehlt der Mut hinaus
Mein Schneckenhaus schützt mich vor Regen
Und so ziehe ich mich zurück
Und es taucht nicht auf der Phönix
Der aus der Asche emporsteigend mich mitzieht
Und zu Taten anspornt, die meiner würdig

Den anderen finden

Verloren im All der hellen Sterne
Vergebens versucht dich zu finden
Verklebte Lider öffnen sich langsam
Aber geschwächt vom Leben ist alles schwer
Was wird passieren dort draußen
Verlor ich dich bei all dem Trubel?
Aber wie Zwillinge gehen zusammen
Hand in Hand und einen sich immer wieder
Glaube ich ganz fest an alles
Was scheinbar verloren geglaubt



Heimat

Das Heimathaus
Dieses stattliche Monstrum
Längst vergangener Zeiten
Wie hat es doch uns geprägt
Viel war dort, was wir erlebten
Etliches schon verjährt
Doch wir zwei, die sich trennten
Und fanden zusammen nach langer Zeit
So sind auch wir
Ich will das nur, wenn reif die Zeit
Die unsere
Ich will das nicht, wenn alles stinkt
Nach Muff, Mief und falschem Stolz
So schufen einst die Götter ihre Werke
So schufen auch wir
Und hielten Obacht
Ob das, was unser gemeinsames Ziel
Erreichbar oder nicht
Doch messbar am Stande unseres Horizontes
ist möglich, was noch weit entfernt



Wer sind WIR?

ICH und DU
DU und ICH
Wer sind wir im Strudel der Ereignisse
Wo bleiben wir, die wir einst waren
Was ist dein Innerstes, dein Kern
Ich fühle mich geschaukelt
Im Trudeln hin- und hergeworfen
Ich suche meine Mitte
Inmitten allen Neuen
Inmitten allen Chaos
Was soll geboren werden
Es ist noch nicht da
Doch wie jeder Tag neu entsteht
Unaufhörlich
So wird werden, was unser Ziel




Geheimnisvoll

Weiches Katzenfell
Balancieren auf dem Fenstersims
Rauschender Morgenverkehr
Müde Augenlider
Und das ganze Alter in meinen Gliedern
Wer wagt, der gewinnt
Nicht verzagen, mein Kind
So lasse los, alles, was ist
Und beginne Neues
Und lasse hinter dir den ganzen Mist
Esperanto oder wie das heißt
Mein Engel, ich hoffe in Heiterkeit
Genüsslich und sorge mich nicht
Und glaube, es werden finden sich
Die Dinge, die sollen sein
Und alles wird kommen,
Was besseren Schein

Feuervogel
Verfluchte Erde hält mal wieder nieder
Doch Strahlen des Himmels heben empor
So gedenke aller Taten vergangner Zeiten
Und sehe dabei das Himmelstor
Durch das wir gingen einst vereint
Und oh Wunder, wir hören den Chor
Der sang und spielte für uns ganz allein
Pyramiden gleich der Ausgang
Himmelstreppen liefen wir hinab
Unten angekommen, fiel das Laufen schwer
Nicht zu Hause sein, wo alles so leer
Nur tiefer Sinn befreit uns ein Leben lang
Von Pein und Schmerz vergangner Tage
Was geschah, ist vorbei
Doch verblichene Erinnerungen werden oft klar
denn wir erduldeten so viel und starben um ein Haar
So war das Leben so schwer
Aber der Feuervogel sang seine Lieder
Und sanft brannte alles nieder
Was nicht gebraucht und soll kommen nie wieder



Durchgänge
Durchgänge, die da warten
Geheimnisvoll, dunkel und mysteriös
Ich weiß, es werden die Karten
immer wieder gemischt so kapriziös
So ist es nie gewiss
Was wird sein dahinter
Ist es gelb, blau, Sommer oder Winter?



Nicht aufwachen wollen

Putzmunter in ihren Träumen
Nicht aufwachen wollen
Alles ist so anders
Wieso endet dieses Elend nie
So wie winterliche Tage voll kristallklarer Luft
Den Atem reinigen
Die Seele sich befreit
Möchte auch ich mich wieder fühlen
Die Brust senkt sich und die Brust hebt sich
Und das Herz pocht unaufhörlich
Doch wofür
Ich fühle mich verschaukelt
Und das Leben rollt irgendwo neben mir
Das Pferd steht noch draußen vor der Tür
Und Menschen erzählen Geschichten
Während ich alles vorüberziehen lasse
Und mich wundere, wie alles geschah
Doch als ich aufwachte, war da nichts
Was mich antrieb, das Leben zu wagen
Nur der Trost und die Aussicht zu malen
Ließ mich wanken und so
Lebe ich weiter, wie an jedem Tag
Sich schützen

Sengendes Feuer auf unschuldiger Haut
Verbrennt die Seele nur von außen
Was aber wahrlich ätzt ist nicht dieses
Sondern der Müll, der von innen
Sich einschleicht so allmählich und subtil
So wahre die Grenze zum unerlaubten Terrain
Das Gebiet, das nur schwer einzusehen
Schütze und hüte Verwundbares
Das Muscheln gleich liegt geschützt in dir
Zwar umhüllt durch Schalen vielerlei
Doch wer den Eingang kennt
Kann verletzen so allerlei

Gute Geister

So wurd es schier unerträglich
Sich zu entscheiden ob der Möglichkeiten
Die sich boten hie, die sich boten da
Doch letzten Endes siegte das pochende Herz
Für das Wesentliche, das da sprach in ihr
Mit eine Stimme, leise und zart
Horch, mein Mädel, horch genau
Ich sage dies dir nur einmal
Wage nicht das Falsche
Sei achtsam und bedenke
Ich habe Größeres mit dir vor als du denkst
Denn die guten Geister sind es letztendlich
die die Zukunft
und solche wollen es sehr
du weißt es und bist geblendet
So konzentriere all deine Kräfte
und lasse nicht ab von deinem Ziel
dem großen und hehren


Wille zur Entwicklung

Besserwisserisch sein Motto verkaufen
Unangesagte Themen auf den Tisch legen
Verbrauchte Batterien nicht beachten
Verrauchte Zimmer sorgen für Atemstillstand
Gleitend die Schutzhüllen rutschen ab
Vermehrte Hilfe ist vonnöten
Glaube, dass es bald regnet
Bewegungen bis zur letzten Dehnung ziehen
Aber lockert man seine alternden Muskel
Kommt auch dort Fluss
Wo schon langwährende Staus blockierten
Und alter Gammel taucht auf
Doch wer denn arbeitet stetig weiter trotz Zwicken
Und glaubt an Entwicklung
  Wird rasch belohnt

Weichheit und fließende Bewegungen
Nicht nur der Muskeln, auch mental
Und kein Blatt wird gewendet
Wenn einer es nicht versuchte
Sprich an die Not und keuche
Verletze nicht den anderen grob
Versuch zu leben in innerer Reise
  Singe deine Lieder in leiser Weise




Eine Busreise

Da war sie einfach in den Bus gestiegen und wusste nicht einmal, wohin dieser fuhr. Draußen nichts als Nebel. Sie lehnte den Kopf ermattet an die Scheibe und schloss ihre Augen. Fuhr hoch, als der Bus erneut hielt. Ein Mann stieg dazu und setzte sich in die vorderste Reihe. Erneut schloss sie die Augen und ließ sich vom Hin- und Herwogen des Gefährts mittragen. Draußen noch immer nichts als Nebel. Leise Musik flutete bis zu ihr herüber. Der Mann in der vordersten Reihe in seiner geraden Haltung schien der Nebel nicht zu stören. Aufmerksam blickte er um sich. Sie folgte seinem Blick … unwillkürlich. Etwas schien so wach zu sein an ihm und das zog sie in den Bann. Sah er dort draußen anderes als den Nebel? Nun … Schemen konnte auch sie erkennen. Es waren da diese verschwommenen Konturen. Doch schien sich in ihnen etwas Geheimnisvolles zu verbergen. Und so richtete sie sich auf und blickte sich um. 

Und als der Bus erneut hielt und die Türen sich weit öffneten, der Busfahrer gar den Motor ausschaltete, alles Laute sich in Leises verwandelte, schälten sich aus dem Einerlei der Töne einzelne heraus. Da war ein Fiepen … manchmal ein Jubilieren. Es mutete wie ein großes heiteres Konzert an. Und sie begann sich zu entspannen und ihr Gehör mal dieser und mal jener Melodie zu widmen. Da war etwas jenseits der WORTE und sie begriff, dass das Jubilieren der Vögel keinen Grund bedurfte außer dem des einfachen SEINS. Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht  … ein kleines nur, ein nach innen gewandtes, feines und erkennendes Lächeln. War es das, was den Mann in der vordersten Reihe so heiter aussehen ließ?
Sie saß nun da und die Türen waren weit geöffnet. Die ersten Sonnenstrahlen schienen zaghaft durch die sich langsam lichtenden Nebelschwaden und sie streckte ihre müden Glieder, um sich zu entspannen in dieser morgendlichen Wärme. Ein Blick aus wachen und warmen Augen traf sie und unwillkürlich erwiderte sie scheu diese Geste … desjenigen, der wie sie auf Reisen zu sein schien. Etwas genauer ihn zu betrachten wagte sie noch nicht, es war nur dieses Lichte und Heitere, das sie erreichte. Von draußen drangen die Vogelstimmen ins Innere und auch der Wind frischte auf. Die Bäume und Sträucher bogen sich unter dieser frischen Brise, die sie sogar bis in ihre letzte Sitzbank zu spüren begann. 
Aus den Augenwinkeln vernahm sie, dass der Mann aus dem Bus ausstieg und draußen etwas zu suchen schien. Sie folgte ihm mit ihrem Blick und nahm erneut seine aufrechte und bewegliche Haltung wahr. Da war etwas sehr Empfindsames und Jugendliches an ihm und doch schien sein Alter ihrem ähnlich. Einen Jasmin-Zweig brach er ab und roch daran, schlenderte langsamen und bedächtigen Schrittes zum Bus zurück und kam auf sie zu:
"Ich möchte Ihnen etwas schenken! Riechen Sie doch einmal, wie schön das duftet!"
Nun aber war sie perplex und das sah man ihrem Gesichtsausdruck auch an. Sie konnte sich nicht erinnern, solch liebenswerte und ja doch nur kleine Geste jemals erlebt zu haben. Es war so altmodisch … und doch schien ihr dies seit jeher gefehlt zu haben. Und auch, wenn das inzwischen vollkommen out zu sein schien, erreichte er damit ihr HERZ.
Schon saß er wieder vorn in der ersten Reihe und sie hatte sich noch gar nicht bedankt. Ein einfaches DANKE und ein Lächeln dazu hätte vielleicht genügt, aber dazu war es nun schon zu spät. Sie roch an den weißen und fast herzförmigen Blättern und sog den süßlichen und intensiven Geruch ein. Da, wo sie herkam, roch es anders und fast schwindelte es sie bei so viele Süße.
Der Bus schaukelte so vor sich hin und sie überlegte, wie sie dem Mann in der ersten Reihe danken könnte. Ahnte er überhaupt, was er da getan mit ihr? Sie, die sie doch so ermattet dasaß und ihre Gedanken an ihre Vergangenheit sie noch immer plagten und sie nur mit allerletzter Kraft diesen Bus erreicht, um allem zu entfliehen. Dass so eine einfache Geste des ihr eine Blume Schenkens sie an etwas erinnerte, was es ja auch noch zu geben schien. Jenseits des Elends, das hinter ihr lag? Wie konnte sie dies ihm begreifbar machen? Oder SAH er mehr, als sie ahnte? Ja, wer war er überhaupt? Und wohin wollte er? Wann stieg er wieder aus? 

Die Musik, die der Busfahrer da aufgelegt hatte, begann sie zu ergreifen. Welch traurige Melodie! Sie nahm überhaupt erst jetzt den Busfahrer mit ihrer eigenen melancholischen Stimmung wahr … er schien wie sie so traurig. Die Schultern gebeugt, wie, als wenn sie von der Last seines Lebens schwer trugen. Der Mann in der ersten Reihe bemerkte dies wohl auch, denn er sah sich um und sie an und sein Blick deutete zum Busfahrer hin. Da begann sie zu lächeln und formte ein lautloses DANKE mit ihren Lippen. Ein leichtes Kopfnicken voller Eleganz und in sich ruhenden Gleichmutes war seine Antwort. 

Die Fahrt ging weiter und sie konzentrierte sich auf die Landschaft da draußen. Dichte Wälder wechselten mit lichtvollen Weiden, hie und da ein Dorf … manchmal eine Stadt mit ihrem regen Treiben. Doch all das erreichte sie nur wie durch einen Schleier. Was gingen sie das alles da draußen noch an? Sie schaute und schaute und ihre Miene zeigte keinerlei Regung, der Blick schien wie über allem zu schweben … immer eigentlich mehr nach innen gerichtet. Die traurigen Lieder aus dem Radio beschworen mal diese und mal jene Erinnerung in ihr herauf. Einmal sogar rollten die Tränen leise ihre Wangen hinunter. 
Eine Bewegung dort vorn holte sie aus ihren Träumen heraus und sie sah voller Schreck, dass der Mann in der ersten Reihe seinen Rucksack zusammenzupacken schien. Etwas in ihr sträubte sich mit Vehemenz dagegen. NEIN, sie wünschte, er würde weiter mitfahren. Der Busfahrer indes schien noch gebeugter und sie fühlte eine große Nähe zu ihm. Und als der Bus schon hielt, die Türen sich öffneten, der Mann aus der ersten Reise sich anschickte, den Bus zu verlassen, nicht ohne ihr noch einmal grüßend und sich verabschiedend zuzunicken … hielt er auf einmal INNE in seinem Vorwärtsstreben, sah auf den gebeugten Busfahrer und auf sie und setzte sich einfach wieder hin. 
Sie konnte fühlen, wie ihr Herz ihr im Innersten pochte wie lange nicht mehr. Warum tat er jetzt dies? Lag der Grund in ihm, im Busfahrer oder etwa in ihr? 
Die Fahrt setzte sich fort und es wurde langsam dunkel. Müdigkeit ergriff sie und so nickte sie ein. In einem Traum erschien ihr dieser Mann noch einmal. Er hieß "Seamore" und sie kannten sich schon seit immer. Und seit immer hatte er sie beschützt, auch wenn ihr das manchmal zu entfallen schien. Ein großer Bruder? Ein Schutzengeln? Eine lieber Nachbar? Wer war er? Und als sie wieder erwachte, ein wenig frischer als zuvor, da sah sie diesen Mann da in der ersten Reihe mit neu gewecktem Interesse an. Wie er sich dort vorn mit dem alten Busfahrer unterhielt, als wenn sie sich schon lange kennen würden. Etwas Ernstes war da in ihrem Gespräch. Eine gewisse Dringlichkeit konnte sie dem Ganzen entnehmen. Seymore, sie nannte ihn einfach jetzt so, zum Busfahrer gebeugt und mit jeder Faser seines Körpers den Worten lauschend. Etwas seltsam Beruhigendes ging von diesem Geschunkel des Busses aus, der Wärme, dem sanften Dahingleiten dieses schon sichtlich alten Gefährts. Dazu das beruhigende Lächeln des Mannes da vorn, das sie immer mal wieder für einen kurzen Moment streifte.
Es wurde tiefe Nacht und sie wunderte sich, dass der Busfahrer noch immer fuhr. Doch dann, nach einer für sie schier endlos erscheinenden Fahrt, hielt er an. Wo waren sie? Eine Stadt … so schien es. Andere Busse. Menschen. Viele Menschen. Und sie schienen ihren Busfahrer alle zu kennen. Und zu MÖGEN. Müde rieb er sich die Augen. Streckte seine weit von sich und stand MÜHSAM auf. Es war einer dieser entscheidenden Momente, in denen die Weichen ganz neu gestellt werden konnten. Was nun also tun? Sie packte ihre Tasche und stand gemächlich auf, noch immer im Banne dieser tröstlichen Fahrt und schlenderten nach vorn.
" Kann ich etwas für Sie tun?"
Doch noch immer keinerlei Regung. Der Mann aus der vordersten Reihe runzelte die Stirn, sah sie besorgt an und wandte sich an die Außenstehenden, die um den Bus standen.
"Kann uns hier jemand weiterhelfen?"
Und so geschah es. Eine kleine Gruppe von sehr unterschiedlichen Menschen in diesem kleinen Bus beschloss gemeinsam weiterzufahren … den Busfahrer in ihre Mitte nehmend … selbst zu steuern. Die Fahrt ging weiter und die Frau in der letzten Reihe sowie der Mann aus der vordersten Reihe waren also nicht mehr allein. Irritiert und auch ein wenig erleichtert schaute sie sich um … wer waren diese Menschen? Kannte sie sie oder war sie ihnen noch nie begegnet in Ihrem Leben? Sie zählte die Reihen durch und kam auf 24 Mitreisende. Eine stattliche Zahl. Und … wer war der Busfahrer, der Neue? Jünger schien er zu sein … nein … erst jetzt erkannte sie ihn … kein geringerer als Seymore selbst leitete das Gefährt.

Die Mitreisenden schienen sich eingerichtet zu haben auf eine Fahrt ins Ungewisse und umsorgten den alten Mann in ihrer Mitte voller Herzlichkeit und Mitgefühl. Neid spürte die Frau in der letzten Reihe und ihr Alleinsein drückte schwer auf ihre Schulter. Ja, so gern würde sie auch dazugehören zu diesen Menschen, doch wie die Hürden überwinden? Endlos fern fühlte sie sich ihnen und tiefe Gräben schienen sich zwischen ihnen aufzutun. Einstweilen begnügte sie sich damit, diese anderen zu beobachten. Junge und Alte waren dabei, ein paar Kinder gar, Männer als auch Frauen, und alle zusammen eine recht bunte Gesellschaft. Hier hörte sie Fetzen eines Gespräches, dort brandete ein beherzte Lachen an, in der hintersten Ecke hörte sie ein Flüstern und in ihrer Nähe ein leises Schniefen. 
Was war das? Wer weinte da so leise vor sich hin? Sie beugte sich ein wenig nach vorn. Noch traute sie sich nicht zu schauen, von wem dieses leise Wimmern kam, doch sie konnte spüren, dass da offensichtlich jemand genau so traurig war wie sie. War sie also doch nicht so allein mit ihrer Trauer! Sollte sie sie vielleicht einmal ansprechen? Doch wie machte sie dies? In Gedanken ging sie alle Möglichkeiten durch und kam zu keinem Schluss. 

Da … plötzlich … hielt der Bus und Seymore, der Busfahrer, stellte sich vor alle und begann zu summen. Was war das? Alle schauten auf. Das Summen wurde zu GESANG. Seymore SANG IHNEN ein Lied. Seymore hatte gesehen, dass dort traurige Menschen in ihren Sitzen versanken und nun sang er dieses kleine, tröstliche Lied für sie. Eine Welle von Begeisterung rollte durch den Bus und alle lauschten GEBANNT dieser TRÖSTLICHEN Melodie. Und allen voran die Frau aus der letzten Reihe. Der Gesang waren mehr, als sie meinte verkraften zu können. Doch mit gerader Haltung, die Hände ineinander verschlungen, das Gesicht nach vorn gerichtet, ließ sie diesen tief in sich hinein. Wagte kaum zu atmen und spürte, wie dieser immer langsamer wurde und das Ausatmen ihr leichter fiel. Ein lästiges Schlüsselrasseln hätte sie am liebsten unwirsch unterbunden, doch sie saß bewegungslos und sog diese göttliche Melodie in sich hinein. Ob es dieser weinenden Frau wohl auch so erging? 

Das Schniefen hatte aufgehört und als sie sich nach vorn beugte, begegnete ihr der Blick dieser und ein leichtes Lächeln huschte über das Gesicht der traurigen Nachbarin. Unwillkürlich lächelte sie zurück und ein Gefühl der Weichheit machte sich in ihr breit. Ein wenig muteten diese Lieder ganz alten Gesängen an. Ein tiefer Bass wechselte mit hohem Tenor und Seymour schien die ganze Bandbreite in sich zu vereinen. Als die letzten Töne verklangen und sie sich wieder langsam aus ihrer bewegungslosen Haltung löste, rauschte ein minutenlanges in-die-Hände-Klatschen durch den gesamten Bus und es war ihr, als wenn dieses großartige Lied von Seymour alle ein wenig geeint hätte. Nicht mehr nur FREMDE saßen da um sie herum, sondern Menschen mit Seelen, die sich genau wie sie jetzt auf einer Reise, die für niemanden auf ein genau definiertes Ziel hinlief, befanden. Des Reisen wegens und des den-alten-Busfahrer-fürsorglich-in-die-Mitte-Nehmens waren sie in diesem gelandet. Welch Abenteuer sie auch noch erwartete, sie waren jetzt, wenn auch nur für eine gewisse Zeit, ein ganz klein wenig geeint und auch, wenn andere unterwegs ausgestiegen oder Neue einstiegen, sie fühlte sich nicht mehr ganz so allein wie zuvor.

Dachte sie zumindest und dann schien sie doch wieder eingeschlafen zu sein und schreckte erst hoch, als sie eine aufgeregte Stimme hörte:
"Wo fahren wir eigentlich hin?"
Und dann ging das Gezeter los.
" Das ist doch ganz klar! Wir fahren gen WESTEN, da gibt es einen großes Haus, in dem man ALLES kaufen kann und da holen wir dann das, was wir brauchen und dann bauen wir uns eine Burg, in die ziehen wir ein und da gibt es dann einen Swimmingpool, in dem schwimmen wir und dann am Abend machen wir ein großes Fest und tanzen die ganze Nacht und feiern bis zum Morgen. Wir haben einen Gärtner, der bringt das Gemüse in unsere große Küche und eine Köchin kocht uns ganz fantastische Menüs. Und dann sind wir glücklich!"
Und sie dachte: "Au ja, Schwimmen und Musik und Sonne und Tanzen! Das könnte ich jetzt wirklich gut gebrauchen."

Aber da tönte schon eine andere Stimme:
"Halt! Ich habe eine viel bessere Idee! Wir fahren in den OSTEN und machen unser GANZ eigenes Ding! Nichts mehr mit diesem miesen System, in dem wir leben. Ich habe wirklich die Nase voll und will meinen eigenen Staat. Da wird dann ALLES ganz anders sein, das verspreche ich euch. Und dann bauen wir eine große Mauer um uns und dann kann keiner uns mehr stören!"
Und sie dachte: "Ja, genau, das ist gut, ich wollte doch auch schon immer alles ganz anders, die große Revolution, Scheiß-System, mit dem ich nichts mehr zu tun haben möchte!"

Sie konnte diesen grandiosen Gedanken kaum zu Ende denken, da meldete sich eine dritte Stimme:
"Halt! Meine Idee ist noch vielviel besser! Wir fahren in den NORDEN, da kenne ich einen großen Platz, da wohnen die Menschen in einer großen Gemeinschaft zusammen und sind nicht mehr allein. Ich will nicht mehr allein sein, ich möchte Kinder und Omas und Opas und Mütter und Väter und einen Bruder und Schwester. Kommt mit, da seit ihr nicht mehr allein!"
Und sie dachte: "Da hat sie aber mal Recht, wenn ich alt bin, möchte ich unter Brüdern und Schwestern sein und eine große Familie um mich wissen!

Aber, als sei es noch nicht genug, hörte sie eine vierte Stimme: " Halt! Meine Idee ist die Beste! Lasst uns in den Süden ziehen, dahin, wo die Sonne immer scheint. Ich habe die Nase voll von dem ewig miesen Wetter hier, im Süden lebt es sich viele leichter, da können wir KUNST machen, zwischendurch Latte Macchiato auf einem Plaza trinken, auf dem Markt Gemüse kaufen und dann wieder KUNST machen. Die wahrhaft innovativen Menschen sind die KÜNSTLER! Kommt, lasst den Künstler in uns nicht sterben und gen Süden ziehen!"
Und sie dachte: "Mann, das ist aber mal eine Super-Idee, den ganzen Tag nur Kunst machen, das wollte ich doch schon immer und dann auch noch Sonnenschein und Latte auf einem Plaza … das ist cool!"
Derer weilen regnete es draußen, regnete und regnete und hörte überhaupt nicht wieder auf. Und vom ewigen Regen da draußen wurde sie so richtig schläfrig, dass ihr alsbald die Augen zufielen und sie selig und trunken vor so vielen neuen genialen Ideen einschlief.
Und so entging ihr die weitere Diskussion der anderen Mitreisenden, deren Ideen hitzig ausgetauscht wurden, als gelte es, dass Heiligste eines jeden mit alleräußerster Kraft verteidigen zu müssen. Sie aber schief.
 
Plötzlich … ein Ruckeln … sie erwachte jäh. Was war das? Sie schaute nach vorn zum Busfahrer … zu Seymore. Der aber einen gleichmütigen Gesichtsausdruck trug, obwohl da augenscheinlich irgendetwas mit dem Bus nicht in Ordnung zu sein schien. Die Diskussion erstach plötzlich und alle lauschten diesen ganz neuen Tönen. Pling … Pling … STOP … STOP … Seymore fuhr auf einen Rastplatz und hielt den Bus sachte am Rande einer Wiese an. Schaltete den Motor aus und öffnete die Türen. Alle Reisenden strömten hinaus und eine aufgeregte Stimmung verbreitete sich unter ihnen. Seymore öffnete gemächlich die Motorklappe und wandte sich an die anderen:
„Gibt es hier einen Mechaniker unter euch? Jemanden, der sich auskennt und die Sache hier einmal genauer untersuchen kann?"
Sie war noch immer ein wenig verschlafen und stieg als Letzte aus dem Bus, nahm nur eine Gruppe von Menschen wahr, die sich um eine geöffnete Klappe dieses Gefährts gruppierte und ganz konzentriert irgendjemandem zuzuhören schien. Ihr war alles eigentlich ziemlich egal, sie hätte jetzt auch genauso gut zu Fuß weiterwandern können. Was ging sie diese Panne denn schon an? War sie etwa angewiesen auf diesen Bus, auf diese Mitreisenden, die ihr der Zufall da beschert hatte? Sie setzte sich erst einmal auf einen großen Stein und beobachtete das Treiben, nahm sich einen Apfel aus der Tasche und biss ein wenig träge hinein. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und sie genoss die warmen Strahlen. Von ihr aus könnten sie sie einfach da jetzt so sitzen lassen … jaaaaa …. das würde sie jetzt einfach mal machen … vielleicht gäbe es ja doch noch andere Richtungen als NordenOstenSüdenundWesten, dachte sie und träumte so vor sich hin.
(Fortsetzung folgt)