Freitag, 14. August 2015


Wie sah Godot eigentlich aus?

Da hockte Minna also wie immer auf ihrer Treppe und wartete auf Godot. Hockte und hockte, zu keiner Regung mehr fähig. Saß da einfach und wartete. Es war lausig kalt. Sie fror entsetzlich. Während Minna also fror und auf Godot wartete, fragte sie sich, wie er denn eigentlich aussähe. Immerhin musste sie ihn doch erkennen können, wenn er plötzlich vor ihr stünde. War er groß und bärtig, gebeugt von der Schwere seines ganzen Lebens? In sich gekehrt, an einem fernen Ort die Überschau behaltend? Schwer zugänglich? War Godot vielleicht sportlich und mochte Fußball? Wollte er erobert werden? War Godot erotisch oder spielte derartig Profanes gar keine Rolle? Oder hatte er vielleicht italienisches Temperament und begehrte sie mit voller Leidenschaft?
Und wo fand Minna ihn? Würde sie ihn zufällig treffen? Am Strand, beim Fußball, auf der Straße, beim Tanzen, bei der Arbeit? Stand er vor ihrer Tür, rief an oder schrieb eine Mail? Musste sie ihm vielleicht selbst schreiben? Oder irgendwo einen Antrag stellen? Konnte man ihn buchen? Wohnte er hinter den Wolken?
Ach, am besten, sie kümmerte sich erst einmal um sich selbst! Zum Glück schien ja gerade die Sonne mit voller Kraft und sie konnte sich wieder wärmen. Von wegen Trübsal blasen. Nee, bloß das nicht. Das Leben bot doch viel zu viele Abenteuer, um sich zu verkriechen und einen auf Trauerkloß zu machen. Nicht wahr, versteht ihr doch. So beschloss sie also, weiter die Treppe nach oben zu steigen. Nie all diejenigen vergessend, denen es wahrlich schlechter erging als ihr. Denn sie war ja nur ne ganz kleine Lachnummer, die einfach nur fror und wartete.


Marta
Es begann damit, dass Marta, die ein sehr verschlossen Wesen besaß und den letzten Heller dafür verwettet hätte, dass es unsichtbare Wesen gar nicht gibt, krank wurde. Ich meine richtig krank. So krank, dass es praktisch keine Aussicht auf Genesung mehr gab. Es handelte sich um die Syphilis, ein Erbe ihres Gatten, denn er betrog sie und das nicht nur einmal. Zwar säuselte er ihr süße Wörter ins Ohr, doch hintenherum betrog er sie nach Strich und Faden. Der Mann taugte nichts! Kein Wort, das er aussprach und sich daran hielt. Nun war Marta also krank geworden und alles in ihrem Heim lag danieder. Die Kinder mussten irgendwie allein klarkommen und auf ihren Mann war sowieso kein Verlass. Nun gut. Es war Winter und ihre Hütte kalt. Der Ofen rauchte vom feuchten Holz und wollte nicht so recht Wärme abgeben. Die Kinder froren, weinten und der Hunger nagte an ihnen. Marta war schwach und lag unter einer dicken Bettdecke. Am liebsten wäre sie gestorben. Ihr Lebensmut war erloschen und sie wusste nicht, wie sich die Flamme wieder entzünden ließe.
Da klopfte es an die Tür … sie zu schwach, um selbst aufzustehen und dem, der da geklopft hatte, aufzumachen, schickte eine Tochter an die Tür. Als diese vorsichtig einen Spalt weit öffnete, sah sie jedoch niemanden dort stehen. Hatte sie sich getäuscht? Hatte da keiner geklopft? Doch da war es wieder. Das Klopfen, das sie hörte. Laut und deutlich. Ihre Tochter, an die Tür geschickt, sah wieder niemanden, der hineinwünschte. Marta dachte: „Na, jetzt habe ich schon Halluzinationen, es wird mit mir zu Ende gehen!“
Doch da erschien vor ihrem Bett eine Gestalt in einem hellen Gewand und grüßte sie mit einem Lächeln und beugte sich hinab zu ihr: „Marta, du Weib Jesses, ich bin gekommen, dir zu helfen und sage nun: Du wirst diese Krankheit überstehen, so wahr ich hier vor dir stehe! Es werden drei Nächte vergehen und du wirst von deinem Krankenlager auferstehen. Ja, so sei es!“
Na, das ist der Beweis! Ich habe Erscheinungen, mein Ende naht!“, dachte sie und ließ sich erschöpft in die Kissen zurückfallen.
Du wirst es nun wahrscheinlich nicht glauben, doch so geschah es! Am dritten Tage ging es Marta wieder so gut, dass sie, sich langsam aufrichtend, das Bett verlassen konnte. Wie konnte das geschehen, fragst du mich. Wer war es, der da ihr erschien? So denke selbst nach! Den Namen aussprechen werde ich niemals tun, doch du wirst wissen, wen ich meine. Und damit wünsche ich dir einen schönen Tag!


Minula und der Zwerg, der immer größer wurde

Als Minula noch sehr jung war, verliebte sie sich in einen Jungen, der der Familie der Zwergwüchsigen angehörte. Ich wusste schon im Voraus, dass sie es sich damit nicht leicht machen würde. Und besonders wunderte es mich, dass sie in ihrer Verliebtheit es nicht einmal zu bemerken schien, dass er kleinwüchsig war. Sie beide waren leidenschaftliche Menschen und ihre Herzen schwangen miteinander. Es war ein sehr inniges Verhältnis und Minulas Verblendetsein war in einem Maße ausgeprägt, dass sie die Realitäten nur noch verschoben wahrnehmen konnte. Doch eines Tages kamen seine Verwandten zu Besuch und da sah sie, dass sie allesamt weniger als einen halben Meter groß waren. Aber als auch das sie nicht zu stören schien und alle gleichsam freundlich behandelte, kam es, dass der Mann, mit dem sie so eine leidenschaftliche Verbindung pflegte, anscheinend über sich selbst hinauswuchs und groß und größer wurde, sodass Minula endlich auf gleicher Augenhöhe mit ihm kommunizieren konnte. Das war für mich ein Wunder, wie selbst ich es nur selten erlebe.


Die Engelszungensprecherin

Es war einmal eine sehr weise Frau, die mit Engelszungen sprechen konnte. Sie hatte zwei Töchter, die sie liebevoll aufzog und die ihr ein Quell der Freude waren. Nun begab es sich aber zu der Zeit, dass die eine Tochter sich danach sehnte, in die Welt hinaus zu gehen. Oh weh, die weise Frau bangte um sie und ihr reines Herz. So sprach sie ein stilles Gebet und danach mit Engelszungen zu ihrer Tochter:
Tochter, meine Geliebte. Du wünscht, in die Welt hinauszuziehen. Ich verstehe dein Begehr und bin zu folgendem Schluss gekommen. Um dich zu schützen vor so allerlei Getier, dass da draußen dir nach deinem unschuldigen Wesen trachtet, werde ich dir einen güldenen Mantel mitgeben, der dich behüten möge in all deinen Tagen. Sei getrost, du bist behütet, was auch immer dir geschehen möge!“
So sprach sie und ließ ihre Tochter gehen.
Es begab sich aber, dass die zweite Tochter sie aufsuchte und Folgendes sprach:
Verehrte Mutter, ich bin nun alt genug, um mich von dir zu verabschieden. Ich möchte hinauf auf den Berg. Dort gibt es ein Kloster und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als auf diesen Berg hinauf zu wandern und in dieses Kloster einzutreten!“
O weh, die weise Frau betrachtete ihre geliebte zweite Tochter und verlor ein paar heimliche Tränen, denn wie sollte sie ihr erzählen, dass in ihrem Leben noch etwas anderes wartete als das Leben in Abgeschiedenheit und Verzicht? So sprach sie ein leises Gebet und danach mit Engelszungen zu ihrer zweiten Tochter:
Geliebte Tochter, wie du ganz recht meinst, ist es ein wunderbares Ziel, sich fernzuhalten von so allerlei gefährlichen Verlockungen, die dort draußen in der Welt lauern. Doch bedenke, meine Liebste, dass es auch anderes gibt, das da draußen auf dich wartet. So werde ich dir einen silbernen Mantel mitgeben, der dich beschützen möge vor übermäßiger Angst und Scheu vor dem Leben in der Welt da draußen. Sei getrost, du bist behütet, was auch immer dir geschehen möge.“


Das Wunder vom Marktplatz

Wunder gibt es immer wieder … heißt es in einem Lied und ich möchte dir heute von so einem Wunder erzählen. Du glaubst, es gibt keine? Das ist falsch. Es gibt sie und viele Menschen übersehen sie in der Hektik ihres Lebens. Das ist sehr schade. Nun möchte ich dir aber von einem Wunder erzählen, dass Amina vor langer Zeit geschehen ist.
Sie war schon lange getrennt von ihrem Liebsten und zwischen ihnen gab einen Streit, den sie noch nicht wieder beigelegt hatten und sie konnte sich auch nicht vorstellen, wie dieser jemals wieder beiseite geschoben werden könnte.
Eines Tages, Amina hatte ihre Zeit verbracht mit so allerlei Geschäftsangelegenheiten und nur Zahlen in ihrem Kopf, ging sie Erholung suchend durch die Straßen ihrer kleinen Stadt und suchte nach Zerstreuung, nicht wissend, wie diese zu bekommen. Da … plötzlich ... erschien vor ihren müden Augen das Gesicht eines Weibes und versperrte ihr mit seiner kleinen, aber energischen Gestalt ihren Weg. Dieses Weib sprach Amina an und sie konnte nicht anders, als ihm ein paar Minuten ihrer kostbaren Zeit zu schenken. Das Weib war eine weise Frau. Wenn auch gekleidet in die Gewänder einer Zigeunerin, die um Almosen bettelte. So sprach diese:
Dir wird heute ein großes Glück geschehen! Darf ich dazu aus deiner Hand lesen und dir weissagen, um welches Glück es sich handelt und welches dich heilen wird?“
Amina, zutiefst getroffen von den Worten dieser weisen Frau, brach in Tränen aus und folgte ihr in eine dunkle Seitengasse, wo sie in Ruhe ihr nahendes Glück beschrieben bekommen wollte.
Nun versteckte sich aber in dieser weisen Frau zugleich auch eine Diebin, die einzig nach dem Geld von Amina trachtete und mit so allerlei Zauberei versuchte, sie zu betören. Doch Amina erkannte den bösen Blick und hatte auch dazu keinen einzigen Heller in ihrem Geldbeutel. Als Amina dies dem Weib erklärte und sich auch nicht von so allerlei kunstvollen Versuchen, sie zu hintergehen, beeindrucken ließ, ging das Weib seines Weges und Amina setze auch ihren Gang über den Marktplatz fort.
Doch … schon nach wenigen Metern, sie fühlte sich noch immer wie in einem denkwürdigen Traum gefangen, erschien vor ihrem Blick das Gesicht eines Mannes, der sie anlächelte und begrüßte und es dauerte einige Momente, bis sie erkannte, um wen es sich handelte. Dort saß ihr Liebster, ihr großes Glück, der Mann, der dort eigentlich gar nicht sitzen konnte, weil er viele viele Meilen entfernt sein eigenes Leben lebte und kaum je in die Nähe ihres kam. Doch wie er dort trotzdem saß, ein heißes Getränk in den Händen haltend, konnte sie nicht anders, als ihn ebenfalls anlächeln und aller Ärger wart vergessen. Alle bösen Worte fielen ihr nicht mehr ein und ihre ganze sorgsam gehütete Abwehr brach in eins in sich zusammen. Nur eines vermochte sie noch und dies mit ganzem Herzen. Sich freuen, ihren Liebsten dort sitzen zu sehen und sich zu ihm zu gesellen und ihm zu lauschen bei den Erzählungen von seinen Reisen, die ihn um die ganze Welt gebracht. Nur zweimal kurz erinnerte sie sich des Giftes, das sie geschmeckt in den langen und kalten Nächten des Winters, nur kurz kam die Erinnerung an all den Streit. In den anderen Momenten konnte sie einfach dort mit ihm sitzen und die Wärme und die Sonnenstrahlen und den Frieden genießen. Eine Brücke wart gebaut worden und nur mit Gottes Hilfe war dies möglich geworden. Allein hätte sie es nicht geschafft. Und aus lauter Dankbarkeit nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und gab ihm einen weichen Kuss auf die Wange seines von ihr geliebten Gesichts. Dann trennten sich ihre Wege wieder und schon am nächsten Morgen wart ihr, als hätte sie geträumt.


Die Frau mit nur einem Kleid

Ich erzähle dir nun eine Geschichte von einer Frau, die sehr arm war und nur ein Kleid besaß.
Diese Frau hieß Einima. Sie lebte weit weit von hier entfernt ein einfaches und karges Leben in einer Hütte und in dieser befand sich nur ein wenig Stroh. Zum Glück war es in diesem Land sehr warm, sie brauchte nicht zu frieren. Einima lebte in dieser Hütte allein und hatte keine Arbeit, kein Geld und keine Familie. Traurig, nicht wahr? Das war ein sehr trauriges Leben, das diese Frau lebte. Könntest du jetzt denken. Doch diese Frau, die nur eine kleine Hütte mit Stroh besaß, empfand das gar nicht so, denn hungern musste sie nicht. Sie bekam von ihren Nachbarn jeden Tag einen Napf voll Getreidebrei, frischer Kuhmilch und Obst sowie Gemüse aus den angrenzenden Gärten. Dafür war sie sehr dankbar. Ja, du fragst dich aber, warum diese Frau nicht traurig war? Das ist ganz einfach zu erklären. Einima war einfach und mit einfachen Dingen des Lebens zufrieden. Sie haderte nicht mit den Lebensschlägen, die sie bekam, sie konnte diese annehmen und daraus lernen. Sie hatte so viel eigentlich, was ihres war, fand sie und wähnte sich glücklich, wenn jemand sie besuchen kam und einen Rat von ihr wünschte. Sie wurde jeden Morgen von der Sonne geweckt und schätzte sich glücklich deshalb. Sie brauchte keine großen Truhen mit Kleidern aus Seide und Samt, sie trug eine einfache Kutte und das reichte ihr. Ja, so war Einima. Kaum zu glauben für dich, nicht wahr? Doch so war das. Diese Frau war innerlich reich und allein das zählte für sie. Und dieser Schatz wurde nicht weniger, je mehr sie von ihm nahm, dieser Schatz wurde größer, je mehr sie davon ausgab.


Nefertu träumt

Heute, meine Liebe, möchte ich dir etwas von einer Frau erzählen, die vor sehr langer Zeit lebte. Diese Frau, Nefertu genannt, träumte eines Tages und sprach am Morgen zu ihrem Mann: „Mein geliebter Ehemann, heute Nacht träumte mir etwas Sonderbares und ich weiß nun nicht, ob es ein Traum oder kein Traum war. Mir ist so, als wenn alles wahr wäre und dennoch kann ich es nicht glauben. Was liegt vor?“
Ja, so kann es gehen, meine Teure! Ich werde es dir erklären! Manchmal im Leben träumen wir des Nachts von Geschehnissen, die anderntags tatsächlich passieren. Dies geschieht viel häufiger, als du dir vielleicht vorstellen kannst, doch oft erinnern wir uns nicht an die Träume. Dies liegt daran, dass wir ihnen keine große Bedeutung beimessen, dabei sollten wir es doch tun. Nicht umsonst gibt es hier bei uns am Hof einen Traumdeuter, der aus den Träumen die Zukunft ablesen kann, was für unser Leben von enormer Bedeutung ist. Wenn nun also so ein Traum sich des Tages aber verwirklicht, ist er von noch größerer Bedeutung. Du solltest, Nefertu, so einen Traum keinesfalls missachten und sehr sorgsam mit ihm umgehen. Die Götter wollen dir damit etwas mitteilen und dich in deiner Seele erschüttern. Damit soll alles, was sich als störend erweist in deinem Leben, mit einem Ruck von dir gelöst werden. Je größer die Erschütterung, desto fremder die Nachricht, doch desto wichtiger auch. Hast du mich verstanden? Es handelt sich immer um eine wichtige Nachricht aus der Götterwelt und du solltest sehr sorgsam mit ihr umgehen. Hüte deine Zunge und erzähle nicht in unwürdiger Weise von diesen Erlebnissen.“
Ich danke dir, geliebter Ehemann, meine Lippen sind versiegelt und kein falsches Wort wird nach draußen gelangen!“


Tralutar und Nemusar

Vor langer Zeit lebte eine Frau, die alle Welt Tralutar nannte. Auch wenn sich dieser Name jetzt für dich komisch anhört, wurde sie nun einmal so genannt. Ihr wahrer Name war ein anderer, doch das hatten ihre Mitmenschen schon lange vergessen. Tralutar war reich und mächtig, lebte in einem großen Haus, nannte Diener ihr eigen, führte einen großen Hausstand und besaß aber keine Kinder. Dies hatte Tralutar hart gemacht. Sie war bitter und schalt Gott für seine Ungerechtigkeit. Tralutar wurde in ihrer Umgebung nicht geliebt. Nein, die Menschen fürchteten sie sogar, denn so manches Mal mussten sie unter der wilden Fuchtel Tralutars leiden. Und dabei ging es ihnen in mancherlei Hinsicht viel schlechter als ihr. Doch all das sah Tralutar nicht. Sie hielt sich für das ärmste Wesen auf Erden und bemitleidete sich von früh bis spät.
So geschah es eines Tages, dass ein großes Unglück über die Gemeinde kam. Dürre und Hagel und Blitz und Donner. Die Ernte war verloren, die Ernährung im Winter bedroht. Tralutar war untröstlich. Hatte sie nicht schon genug zu tragen? Nun auch noch dieses!
Doch oh Wunder, es geschah, dass sie eines Besseren belehrt werden sollte. Eines Tages fand sich ein ehrbarer Mann aus der Gemeinde bei ihr ein und erzählte ihr zur großen Überraschung, dass alle Mitglieder beschlossen hatten zusammenzulegen, um Tralutar zu helfen. So überbrachte man ihr einen großen Kübel mit Getreide und damit war ihre Ernährung im Winter gerettet.
Dies aber beschämte Tralutar so sehr, dass sie wieder weich werden konnte. Hatten doch die anderen viel weniger zu essen als sie und war der Hausstand der anderen bei weitem nicht so groß wie ihrer und doch machten sie ihr ein derart großzügiges Geschenk. So erinnerte sich Tralutar urplötzlich ihres wahren Namens und ließ sich fortan wieder Nemusar nennen. Und das klang doch bei weitem nicht so hart, fand ein jeder, der sie kannte.


Die ungleichen Schwestern

Es waren einmal zwei sehr ungleiche Schwestern. Beide nicht mehr ganz jung an Jahren, doch noch immer die eine schön und die andere apart. Es begab sich aber zu der Zeit, dass die schöne Schwester heiraten wollte und dies allen kundtat. Die aparte Schester vernahm die Kunde und grämte sich sehr. Wie konnte es sein, dass alles im Leben ihrer schönen Schwester zu gelingen schien und in ihrem eigenen Leben nicht. Wie konnte es sein, dass ihre schöne Schwester in einem großen Haus wohnen durfte, einen sie liebenden Ehemann an ihrer Seite wähnte, weite Reisen, die sie über die ganze Erde führte, unternahm, einen wunderbaren Garten ihr eigen nennen konnte und durch Arbeit ein sicheres Leben verbringen durfte. Auch Kinder hatte sie geboren und die Künste waren ihr nicht fremd. Alles in allem ein so schönes Leben, um das die aparte Schwester sie beneidete.
Lass dir gesagt sein, du apartes Wesen, es ist nicht alles Gold, was glänzt. Diese Weisheit ist dir wohlbekannt und du hast sie anscheinend noch immer nicht richtig verstanden.
Ist es das Goldene, das wichtig ist im Leben? Das Glänzende, das dir lebenslanges Glück beschert? Das Prächtige, das dich versöhnt? Das Schillernde, das dir Frieden gibt? Das perfekt Schöne, das dich INNERLICH satt macht? Denke nach, du apartes Wesen! Du, die innere Schönheit und Weisheit erlangt und eine große Beziehung zu den heiligen Mächten? Sag mir, was sind die wahren Schätze, die der Mensch auf Erden in seinem kurzen Leben erlangen kann? Du weißt die Antwort selbst und so begehre nicht das Gold deiner schönen Schwester. Bleibe bei DEINEN Schätzen und ehre sie.


Das Nichts

Da war das große NICHTS, das Inny seit einiger Zeit in sich spürte. Und sie wusste nicht einmal, wozu das gut war und nahm es aber mal einfach hin. Dass es da war. Dieses langweilige NICHTS. Es hatte nicht einmal ein Muster und auch keine intensive Farbe. Es war nicht aufdringlich, sondern hintergründig und schützte sich selbst durch Dezentheit und sein leises Auftreten. Es gab nicht an und provozierte auch nicht, wurde nicht laut und flüchtete, ehe es mit in die zu laute Chose hineingezogen wurde. Eigentlich wunderte Inny sich, dass sie dieses NICHTS so einfach hinnehmen konnte. Das NichtNICHTS war doch an sich viel anziehender. Es schillerte bunt und war viel in der Welt herumgekommen. Konnte unzählige Geschichten über die Welt erzählen. Inny bekam regelmäßig Kopfschmerzen von so viel Welt. Das NichtNICHTS wusste so viel. Es war ja so belesen und konnte zu allem, was gesagt wurde, einen überaus klugen Kommentar abgeben. Es war umwerfend komisch dazu. Und das NichtNICHTS hatte soviel. Inny hörte sich stundenlang diese Geschichten an, über das, was es alles hatte. Das war teuer gewesen! Oh weh! Dafür musste man viel arbeiten. Oh weh! Das war anstrengend gewesen. Oh weh!
Und sie selbst? Sie hatte nur dieses NICHTS in sich. Von dem sowieso keiner was wissen wollte. Das taugte für nicht viel. Sie bekam höchstens einen ruhigen Atem davon. Die Kopfschmerzen verklangen, die Schultern sanken und der Nacken entspannte sich.
Und was dann? Na dann hörte sie zu zuallererst die Vögel mit ihren Liedern. Und sie spürte den Wind in den Haaren. Und wie das Wasser sich kräuselte und die Wolken am Himmel Geschichten erzählten. Aber das war natürlich wenig und aber mit diesem wenigen war sie durchaus zufrieden.


Der Inder lehrt mich die wahren Werte

Pech für Sie, hier gibt es nur Notdürftiges!“, sagte der junge Inder und freute sich des Lebens. Des Lebens, das er jetzt hier führte unter uns reichen Deutschen, die voll des Neides und des Hochmuts, der Gier und des Geizes. Doch er aber lachte zu seinen Worten und entblößte seine weißen Zähne. Ich war verzaubert und stellte mich zu ihm, doch er behandelte alle gleich und ich bekam keine Eintrittskarte umsonst zu seinem Herzen. Nein, erst und das nach Jahren, als ich meine eigenen Unarten abgelegt, erreichte ich ihn und das nur auf die einfache Art. Jedes kunstvolle Herumschlingern und nicht wirklich so sein wie versprochen verhinderte den Kontakt. Dass dieser Inder mich einmal so sehr angehen würde, hatte ich auch nicht gedacht, aber so war es. Und so verlangsamte ich mein Tempo und vereinfachte den Konsum. Nahm die goldenen Schätze vom Sims und machte kräftig sauber. Erst dann und das dauerte eine ganze Weile, lächelte er auch mir zu und bekam ich eine Eintrittskarte zu seinem Herzen und wunderte mich, wie ich vorher hatte so zufrieden sein können mit nichts, was von wirklicher Bedeutung.

Donnerstag, 29. Januar 2015



Zwiebeltränen

Jochen kam in die Küche und fand eine in Tränen aufgelöste Susanne vor. Sie saß heulend am Küchentisch und rieb sich die Augen. Er erschrak innerlich. War er doch zu weit gegangen? Hatte er sie mit seinen harten Worten gekränkt? Er machte sich sofort bittere Vorwürfe. Nein, das hatte er nicht gewollt. Ja, er war nicht einverstanden gewesen mit ihren ganzen etwas verworrenen Ideen. Sie hatte da etwas ausgebrütet, das ihm so gar nicht behagte. Ja, er gestand sich ein, ein wenig fürchtete er sich auch davor, dass sie sich vielleicht von ihm entfernen könne und nur noch die Arbeit zähle und keine Zeit mehr für ihn übrigblieb. Ja, er gestand sich selbst auch ein, dass er sie am liebsten zu Hause ganz für sich allein hätte. Dass sie ihm assistierte bei seiner Arbeit und ihm behilflich wäre, seine eigenen Ideen zu verwirklichen. Doch dass sie jetzt so traurig war, nein, das hatte er auch nicht gewollt. Er liebte sie doch und ja, er wollte doch auch, dass sie glücklich war. Wie sollte er jetzt nur wieder auf sie zugehen, ohne dass sie ihn zurückstieß? Ganz liebevoll von hinten die Arme um sie schlingen und ihr einen Kuss in den Nacken geben? Irgendwas Nettes sagen? Er war sich ganz unschlüssig und kam sich wie ein Idiot vor, der mal wieder nicht gemerkt hatte, wie sensibel seine Freundin doch eigentlich war. Ach, wie er sie liebte dafür. „Ähm, Susanne … „
Susanne richtete sich auf und sah ihn mit tränenverschmiertem Gesicht an:
„Au, das brennt so verdammt!“, sagte sie und rieb sich den Zwiebelsaft noch tiefer in die Augen. „Warum muss immer ausgerechnet ich die Zwiebeln schneiden! Das ist echt ungerecht! Das nächste Mal bist du dran!“


 
Das Eis bricht auf

Die Sonne schien, es war eiseskalt und Schnee lag auf den weiten Flächen der Felder. Die Bucht seit Tagen zugefroren. Möwen kreisten in weiten Bögen über das Wasser und landeten laut kreischend auf der in der Sonne hell glitzernden Eisfläche. Fest umschloss das Eis den Stein am Ufer. Die Natur schien zu schlafen in dieser Eiseskälte. Da. Ein Rucken, ein Krachen, etwas bewegte sich. Gewaltige Kräfte waren am Werke. Der erste feine Riss zog sich durch das Eis und ein erster kleiner Spalt wurde sichtbar.
So zog sie täglich ihre Bahn durch die weite Flur, innerlich schon längst wie erfroren, die Glieder so steif und der Gang so schwer. Jeden Tag zog es sie hinunter dort an das Ufer, jeden verdammten Tag das gleiche Schauspiel.
Da. Wieder. Ein Poltern. Ein Ächzen. Ein Stöhnen. Eisschollen schoben sich auseinander, ineinander, gegeneinander, der Stein brach hervor, dass es nur so krachte. Ein filigranes Gebilde aus glasklarem bläulich schimmerndem Eis formte sich zu einer Eisknospe, durch deren Blätter die Sonne ihr gleißendes noch etwas kalte Licht schickte.
Sie jubilierte und etwas traf sie ganz tief ins Herz. Ja, das Eis brach und die ersten Knospen zeigten sich, wenn auch nur aus Eis. Das war ein gutes Zeichen, das wog schwer. Sie lächelte in sich hinein und einzelne Passanten, denen sie begegnete, lächelten zurück. Ach, das Leben war ja doch gar nicht so trist. Ach, sie war ja doch gar nicht so einsam. Ach, ihre Schmerzen waren ja auch gar nicht mehr so wichtig. Ach, eigentlich ging es ihr doch ganz gut, oder?





In Würde altern

„Nee, ich kann nicht mehr, diese grauen Haare. Nee, wirklich, Lisa. Das geht gaaar nicht. Sofort, aber sofort muss ich zum Frisuer. Wie seeeh ich denn aus!?“

„Da sagst du aber was, ich muss auch unbedingt wieder Hyaloron spritzen, also wirklich, Annemarie, diese Falte da am Kinn, nee, geht auch gaaar nicht. 370 €, nun, das ist doch wirklich n’fairer Preis oder? Weißt du, du siehst sofort hinterher den Erfolg, alles ist vielvielviel glatter. Ach, nee, Altern ist doch wirklich schwer, oder?“

„Da kannst einen drauf geben. Wie, bitte sehr, soll ich in diesem Jahr mich wieder mit meinem Bikini nach draußen wagen? Ich kriege schon Kopfschmerzen, wenn ich da nur dran denke!“

„Also wirklich, Susanne, du und dein Gejammer, du hast doch noch immer ne Top-Figur.
Wenn ich da an meine denke, ich kann mich doch nur noch verstecken in wallende Tücher, ohne dass ich einen Komplex bekomme.“

„Ach, was redet ihr da, kommt es etwa auf soche Nebensächlichkeiten an, nee, ich finde euch jetzt langsam wirklich affig. Das ist doch ganz klar, dass unsere körperlichen Fähigkeiten, wenn wir altern, abbauen. Aber ihr wißt doch, die geistigen nehmen zu. Und ist es nicht das, was schön und befreiend ist. Ich fühle mich, je älter ich werde, immer freier und freier. Ich kann tun und lassen, was ich will und keiner kann mich mehr daran hindern.“

„Is ja gut, Gerda, is ja gut, wir freun uns auch mit dir, dass das so ist, aber nicht jede kann sich das leisten, nicht wahr?! Nicht jede hat einen Mann, der sie mit jedem Speckring und jeder neu dazukommenden Falte liebt bis an das Ende ihrer Tage. Manche von uns ist ja vielleicht immer noch oder schon wieder auf der Suche nach einer neuen Schulter, an die sie sich ab und an anlehnen kann. Oder muss gar konkurrieren mit all diesen jungen, knackigen Dingern, hinter denen die Männer ab 50 doch alle hinterher sind. Wir MÜSSEN doch quasi zum Schönheitschirurgen, was bleibt uns denn anderes übrig?“

„Susanne, du hast ganz einfach selbst Schuld, wenn du dir von den Männern diktieren lässt, wie du auszusehen hast. Dann geh doch jeden zweiten Tag ins Solarium, kauf dir neue Reizunterschäsche, hübsch dich auf und gerate an den falschen. Dem das alles wichtiger ist als deine inneren Werte.“

„Wieso, ich finde das jetzt gemein, was du sagst. Ich kann doch eine Frau sein mit inneren Werten und muss trotzdem nicht herumlaufen wie Aschenputtel, oder? Ihr könnt mich alle mal, aber echt. Und überhaupt, immer dieser Weiberclub, hab ich auch die Nase voll von. Ciao alle zusammen.“ 




Gespenster

„Hui … ich komme und ich bin zum Fürchten. Hui … ich bin ganz schrecklich und mache euch große Angst!“, sagte das kleine Gespenst und fegte vondannen. Wer es war? Ihr wisst es nicht? Na, das kleine Gespenst Elsie eben. Es war weiß, weich, weiblich, sanftmütig, grundfröhlich und liebte Kinder – und das als Gespenst. Das müsst ihr euch mal vorstellen. Gespenster waren doch eigentlich gruselig, Angst einflößend, unheimlich und zum Fürchten.
Aber Elsie war schon immer ein wenig anders gewesen. Doch heute war sie genervt. Der Tannenbaum hatte gebrannt, weil sie durch das Wohnzimmer geschwebt und mit ihrem langen Schleier die stachelige Tanne umfegte und an Sylvester hatte die kleine Hanna sich mit einem Knaller die rechte Hand verletzt und musste ins Krankenhaus gefahren werden. Auch hier war Elsie schuld, denn sie hatte den Windstoß falsch berechnet, der dann den Knaller in Hannas Richtung lenkte. Nun hätte Elsie sich eigentlich freuen müssen, denn das war ja ihre Aufgabe als Gespenst, andere zum Gruseln und Fürchten zu bringen. Aber wie ich euch schon erzählte, war sie ganz anders und hasste ihre Gespensterrolle, die sie jeden Tag wieder neu spielen musste, weil ihr strenger Großvater das so entschieden hatte. Nein, Elsie wollte nicht immer nur ein Gespenst sein, nein, sie wollte endlich auch mal Jeans tragen, auf einem richtigen Pferd reiten, Cola trinken, sich schmutzig machen oder Fahrrad fahren. Was sollte sie nur tun? Ihre Großmutter fragen? Abhauen? Sie hatte keine Ahnung. Was meint ihr?



Poetische Bilder

Bilder, die beginnen zu leben
mit Poesie und Geschichten versehen
Leben in Träumen und zur Wahrheit kommen
Das, was sich zeigen soll
Das, was in die richtige Richtung weist
Auch wenn ich mal wieder in Moll lebe
Und Optimismus sich neigt
Egal, so ist Leben
Und das will ich leben bis zum Ende
Lieber zittern und beben
Als sterben in Langeweile und keine Wende


Tanz zu Pferde

Lobeshymnen auf alle die
Die dort gesungen und getanzt
Denn das Glück dieser Erde
Liegt auf dem Rücken der Pferde
Mit denen man schöpferisch
kann reiten durch die Lüfte
Und einatmen die ganze Welt der Düfte
Und schwingen sich auf und nieder
Und lassen wachsen Flügel wieder





Danke Vater 

Vater du am Ende der Welt
Ich danke dir für alles, was zählt
Es waren schöne Tage
Auch wenn das Ende oft nur eine Klage
So wende ich mich jetzt anderem zu
Und werde wieder lichter mit mehr Ruh
Alles, was angefangen
Vollendet sich irgendwann
Da ist der himmlische Bann
Der besteht noch hie und dort
Will denken an dich
Und danken für die Geduld
Denn niemand hat Schuld
Es ist das Schicksal, das so fordert
Obwohl ich nicht weiß, wer da ordert
Es wird alles kommen, auch wenn du dich materst
Und du noch so oft haderst 
So glaube ich aber
Dass du mich verstehst
Sei dir sicher
Man wird seh’n, wie du flehst