Donnerstag, 29. Januar 2015



Zwiebeltränen

Jochen kam in die Küche und fand eine in Tränen aufgelöste Susanne vor. Sie saß heulend am Küchentisch und rieb sich die Augen. Er erschrak innerlich. War er doch zu weit gegangen? Hatte er sie mit seinen harten Worten gekränkt? Er machte sich sofort bittere Vorwürfe. Nein, das hatte er nicht gewollt. Ja, er war nicht einverstanden gewesen mit ihren ganzen etwas verworrenen Ideen. Sie hatte da etwas ausgebrütet, das ihm so gar nicht behagte. Ja, er gestand sich ein, ein wenig fürchtete er sich auch davor, dass sie sich vielleicht von ihm entfernen könne und nur noch die Arbeit zähle und keine Zeit mehr für ihn übrigblieb. Ja, er gestand sich selbst auch ein, dass er sie am liebsten zu Hause ganz für sich allein hätte. Dass sie ihm assistierte bei seiner Arbeit und ihm behilflich wäre, seine eigenen Ideen zu verwirklichen. Doch dass sie jetzt so traurig war, nein, das hatte er auch nicht gewollt. Er liebte sie doch und ja, er wollte doch auch, dass sie glücklich war. Wie sollte er jetzt nur wieder auf sie zugehen, ohne dass sie ihn zurückstieß? Ganz liebevoll von hinten die Arme um sie schlingen und ihr einen Kuss in den Nacken geben? Irgendwas Nettes sagen? Er war sich ganz unschlüssig und kam sich wie ein Idiot vor, der mal wieder nicht gemerkt hatte, wie sensibel seine Freundin doch eigentlich war. Ach, wie er sie liebte dafür. „Ähm, Susanne … „
Susanne richtete sich auf und sah ihn mit tränenverschmiertem Gesicht an:
„Au, das brennt so verdammt!“, sagte sie und rieb sich den Zwiebelsaft noch tiefer in die Augen. „Warum muss immer ausgerechnet ich die Zwiebeln schneiden! Das ist echt ungerecht! Das nächste Mal bist du dran!“


 
Das Eis bricht auf

Die Sonne schien, es war eiseskalt und Schnee lag auf den weiten Flächen der Felder. Die Bucht seit Tagen zugefroren. Möwen kreisten in weiten Bögen über das Wasser und landeten laut kreischend auf der in der Sonne hell glitzernden Eisfläche. Fest umschloss das Eis den Stein am Ufer. Die Natur schien zu schlafen in dieser Eiseskälte. Da. Ein Rucken, ein Krachen, etwas bewegte sich. Gewaltige Kräfte waren am Werke. Der erste feine Riss zog sich durch das Eis und ein erster kleiner Spalt wurde sichtbar.
So zog sie täglich ihre Bahn durch die weite Flur, innerlich schon längst wie erfroren, die Glieder so steif und der Gang so schwer. Jeden Tag zog es sie hinunter dort an das Ufer, jeden verdammten Tag das gleiche Schauspiel.
Da. Wieder. Ein Poltern. Ein Ächzen. Ein Stöhnen. Eisschollen schoben sich auseinander, ineinander, gegeneinander, der Stein brach hervor, dass es nur so krachte. Ein filigranes Gebilde aus glasklarem bläulich schimmerndem Eis formte sich zu einer Eisknospe, durch deren Blätter die Sonne ihr gleißendes noch etwas kalte Licht schickte.
Sie jubilierte und etwas traf sie ganz tief ins Herz. Ja, das Eis brach und die ersten Knospen zeigten sich, wenn auch nur aus Eis. Das war ein gutes Zeichen, das wog schwer. Sie lächelte in sich hinein und einzelne Passanten, denen sie begegnete, lächelten zurück. Ach, das Leben war ja doch gar nicht so trist. Ach, sie war ja doch gar nicht so einsam. Ach, ihre Schmerzen waren ja auch gar nicht mehr so wichtig. Ach, eigentlich ging es ihr doch ganz gut, oder?





In Würde altern

„Nee, ich kann nicht mehr, diese grauen Haare. Nee, wirklich, Lisa. Das geht gaaar nicht. Sofort, aber sofort muss ich zum Frisuer. Wie seeeh ich denn aus!?“

„Da sagst du aber was, ich muss auch unbedingt wieder Hyaloron spritzen, also wirklich, Annemarie, diese Falte da am Kinn, nee, geht auch gaaar nicht. 370 €, nun, das ist doch wirklich n’fairer Preis oder? Weißt du, du siehst sofort hinterher den Erfolg, alles ist vielvielviel glatter. Ach, nee, Altern ist doch wirklich schwer, oder?“

„Da kannst einen drauf geben. Wie, bitte sehr, soll ich in diesem Jahr mich wieder mit meinem Bikini nach draußen wagen? Ich kriege schon Kopfschmerzen, wenn ich da nur dran denke!“

„Also wirklich, Susanne, du und dein Gejammer, du hast doch noch immer ne Top-Figur.
Wenn ich da an meine denke, ich kann mich doch nur noch verstecken in wallende Tücher, ohne dass ich einen Komplex bekomme.“

„Ach, was redet ihr da, kommt es etwa auf soche Nebensächlichkeiten an, nee, ich finde euch jetzt langsam wirklich affig. Das ist doch ganz klar, dass unsere körperlichen Fähigkeiten, wenn wir altern, abbauen. Aber ihr wißt doch, die geistigen nehmen zu. Und ist es nicht das, was schön und befreiend ist. Ich fühle mich, je älter ich werde, immer freier und freier. Ich kann tun und lassen, was ich will und keiner kann mich mehr daran hindern.“

„Is ja gut, Gerda, is ja gut, wir freun uns auch mit dir, dass das so ist, aber nicht jede kann sich das leisten, nicht wahr?! Nicht jede hat einen Mann, der sie mit jedem Speckring und jeder neu dazukommenden Falte liebt bis an das Ende ihrer Tage. Manche von uns ist ja vielleicht immer noch oder schon wieder auf der Suche nach einer neuen Schulter, an die sie sich ab und an anlehnen kann. Oder muss gar konkurrieren mit all diesen jungen, knackigen Dingern, hinter denen die Männer ab 50 doch alle hinterher sind. Wir MÜSSEN doch quasi zum Schönheitschirurgen, was bleibt uns denn anderes übrig?“

„Susanne, du hast ganz einfach selbst Schuld, wenn du dir von den Männern diktieren lässt, wie du auszusehen hast. Dann geh doch jeden zweiten Tag ins Solarium, kauf dir neue Reizunterschäsche, hübsch dich auf und gerate an den falschen. Dem das alles wichtiger ist als deine inneren Werte.“

„Wieso, ich finde das jetzt gemein, was du sagst. Ich kann doch eine Frau sein mit inneren Werten und muss trotzdem nicht herumlaufen wie Aschenputtel, oder? Ihr könnt mich alle mal, aber echt. Und überhaupt, immer dieser Weiberclub, hab ich auch die Nase voll von. Ciao alle zusammen.“ 




Gespenster

„Hui … ich komme und ich bin zum Fürchten. Hui … ich bin ganz schrecklich und mache euch große Angst!“, sagte das kleine Gespenst und fegte vondannen. Wer es war? Ihr wisst es nicht? Na, das kleine Gespenst Elsie eben. Es war weiß, weich, weiblich, sanftmütig, grundfröhlich und liebte Kinder – und das als Gespenst. Das müsst ihr euch mal vorstellen. Gespenster waren doch eigentlich gruselig, Angst einflößend, unheimlich und zum Fürchten.
Aber Elsie war schon immer ein wenig anders gewesen. Doch heute war sie genervt. Der Tannenbaum hatte gebrannt, weil sie durch das Wohnzimmer geschwebt und mit ihrem langen Schleier die stachelige Tanne umfegte und an Sylvester hatte die kleine Hanna sich mit einem Knaller die rechte Hand verletzt und musste ins Krankenhaus gefahren werden. Auch hier war Elsie schuld, denn sie hatte den Windstoß falsch berechnet, der dann den Knaller in Hannas Richtung lenkte. Nun hätte Elsie sich eigentlich freuen müssen, denn das war ja ihre Aufgabe als Gespenst, andere zum Gruseln und Fürchten zu bringen. Aber wie ich euch schon erzählte, war sie ganz anders und hasste ihre Gespensterrolle, die sie jeden Tag wieder neu spielen musste, weil ihr strenger Großvater das so entschieden hatte. Nein, Elsie wollte nicht immer nur ein Gespenst sein, nein, sie wollte endlich auch mal Jeans tragen, auf einem richtigen Pferd reiten, Cola trinken, sich schmutzig machen oder Fahrrad fahren. Was sollte sie nur tun? Ihre Großmutter fragen? Abhauen? Sie hatte keine Ahnung. Was meint ihr?



Poetische Bilder

Bilder, die beginnen zu leben
mit Poesie und Geschichten versehen
Leben in Träumen und zur Wahrheit kommen
Das, was sich zeigen soll
Das, was in die richtige Richtung weist
Auch wenn ich mal wieder in Moll lebe
Und Optimismus sich neigt
Egal, so ist Leben
Und das will ich leben bis zum Ende
Lieber zittern und beben
Als sterben in Langeweile und keine Wende


Tanz zu Pferde

Lobeshymnen auf alle die
Die dort gesungen und getanzt
Denn das Glück dieser Erde
Liegt auf dem Rücken der Pferde
Mit denen man schöpferisch
kann reiten durch die Lüfte
Und einatmen die ganze Welt der Düfte
Und schwingen sich auf und nieder
Und lassen wachsen Flügel wieder





Danke Vater 

Vater du am Ende der Welt
Ich danke dir für alles, was zählt
Es waren schöne Tage
Auch wenn das Ende oft nur eine Klage
So wende ich mich jetzt anderem zu
Und werde wieder lichter mit mehr Ruh
Alles, was angefangen
Vollendet sich irgendwann
Da ist der himmlische Bann
Der besteht noch hie und dort
Will denken an dich
Und danken für die Geduld
Denn niemand hat Schuld
Es ist das Schicksal, das so fordert
Obwohl ich nicht weiß, wer da ordert
Es wird alles kommen, auch wenn du dich materst
Und du noch so oft haderst 
So glaube ich aber
Dass du mich verstehst
Sei dir sicher
Man wird seh’n, wie du flehst