Montag, 4. Januar 2016


Eleusius und Lorena

Wenn man schon Eleusius heißen muss, wen verwundert es, dass man ein besonderes Exemplar Mensch wird. Nun, Eleusius aus Oberlandau war so eines. Ein wenig wirr im Kopf und zerstreut stets das vergessend, was eigentlich gerade wichtig gewesen. Schien draußen die Sonne, vergrub er sich in seiner Studierstube und tauchte erst bei Nacht wieder auf. Regnete es draußen und war stürmisch, machte er eine lange Wanderung. Ja, man kann sagen, Eleusius war nicht wirklich lebenstauglich und seine Nachbarn guckten auch schon mal komisch. Eines Tages aber, Eleusius saß im Nieselregen im Garten und dachte nach, tauchte ein kleines Mädchen auf mit zerlumpten Kleidern am Leib. Eleusius passte das gar nicht, denn er wollte in Ruhe draußen sitzen im Nieselregen und so vor sich hinsinnieren. Das Mädchen aber, sie hieß Lorena, kümmerte sich nicht darum und stapfte mutig auf ihn zu: DU, es regnet doch draußen, warum sitzt du da?“
Eleusius sah das Mädchen an und dachte nicht daran, ihm eine Antwort zu geben. Was kümmerte ihn dieses Mädchen? Er wollte seine Ruhe und nichts als das. Doch das kleine Mädchen Lorena war nicht auf den Kopf gefallen und dazu nicht ängstlich, denn sie hatte in ihrem kurzen Leben schon so allerlei erlebt.
Ich hab dich was gefragt! Wieso sagst du nichts?“
Weil ich dazu absolut keine Lust habe und mir Mädchen wie du entsetzlich auf die Nerven gehen. Hast du mich verstanden? Also, schleich dich!“, sagte er, drehte sich demonstrativ um und blickte in die andere Richtung. Lorena aber dachte gar nicht daran, ihn in Ruhe zu lassen.
DUU, wieso bist du so unfreundlich zu mir. Hast du schlechte Laune?“
Ich sagte, lass mich in Ruhe, es geht dich einen feuchten Kehrdreck an, ob ich schlechte Laune habe oder nicht. Ich will hier sitzen und nachdenken. Und nun Schluss!“
Das mache ich auch immer ... nachdenken. Aber ich bekomme davon keine schlechte Laune so wie du. Wenn ich nachdenke, dann füttere ich die Gänse dabei oder kehre den Hof! Machst du das gar nicht so? Musst du dabei immer bei Regen in deinem Garten sitzen? Komm doch mal mit mir, ich will dir was zeigen!“
Und weil Eleusius genug hatte von diesem Geplapper, stand er einfach auf und folgte ihr. Sie wanderten über Berg und Tal und gelangten schließlich an ein großes Gewässer. Der Wind wehte frisch und der Regen hatte sich inzwischen verzogen. Die Sicht war klar und das Mädchen sang Eleusius ein kleines Lied vor. Und ... wer hätte es gedacht ... Eleusius summte leise mit. Und ... wie konnte es geschehen ... auf einmal wusste er die Lösung auf ein Problem!

So, liebe Leut, bedenkt: Bei Regen im Garten zu sitzen und nachzudenken führt zu gar nichts. Hört auf kleine Mädchen, bewegt euch, atmet tief durch, singt und schaut in die Welt. Lasst euch den frischen Wind um die Ohren wehen und wartet geduldig auf eine Antwort.


Emil, der weise Wanderer

Emil war ein alter Mann und trug einen langen Mantel, den er nie auszog. Er ging langsam und hatte immer bei sich einen langen Stock, mit dem er sich auf seinem Weg vortastete. Emil besaß gütige Augen, ein faltiges Gesicht, einen weißen Bart und bis auf die Schultern fallende weiße Haare. Seine Haltung war ein wenig gebückt und seine Beine nicht mehr die stärksten. So ging er vorsichtig und machte einen kleinen Schritt nach dem anderen. Er trachtete nicht danach, der Schnellste zu sein, nein, so etwas kam bei ihm nicht vor. Er war bedächtig und vorsichtig und fühlte den Himmel und die Wolken über sich. Er fühlte sie so sehr, dass er den Himmel und die Wolken sogar in sich fühlte. Ja, so war er. Und da gab es Regen und Nebel, klare Sicht und Weite, aber auch große Dunkelheit. Doch immer behielt er seinen Mantel an und führte den Stab mit sich. Manchmal nahm er auch eine Laterne, die ihm den Weg leuchtete, mit auf seine Wanderung. Dies vor allem bei der großen Dunkelheit, die sich immer wieder zeigte. Doch der alte Mann war sich sicher, dass er den Weg finden würde.
Wohin er wanderte, fragt ihr? Nun, das wusste er selbst auch nicht so genau. Das war aber auch nicht wichtig, denn er war vertrauensvoll und demütig und wusste, dass sein Mantel ihn schützen, die Laterne den Weg weisen und der lange Stab ihn stützen würden.
So zog er des Weges tagein und -aus und einjeder, der ihm begegnete, verneigte sich vor ihm. Es war so eine Stille um ihn und das schien die Menschen anzuziehen. Und es war so eine Weite um ihn und jeder fragte sich, wo diese herrührte? Aber da Emil, der alte Mann, stets schweigsam war, blieb ihnen nichts anderes übrig, als geduldig in sich zu horchen, ob da vielleicht diese Weite und diese Stille auch in ihnen. Und dies, liebe Leute, war ganz im Sinne von Emil, dem weisen Wanderer. 


Emilia und Hanibal

Das Schaf Emilia war ein dummes Schaf. Es hatte zwar viele schöne Locken, war aber eben einfach dumm. Ich fühle mich ein wenig unwohl einfach zu behaupten, dass das Schaf Emilia dumm war, aber so war es nun einmal. Ihr Leben war klein und unbedeutend. Doch eines Tages sollte sich dies ändern. Schon am frühen Morgen öffnete der Bauer das große Gatter und ein stattlicher Ziegenbock wurde hereingeführt. Emilia vergaß, weiterzukauen. Welche Pracht! Gewaltige Hörner, mächtige Glocken, ein langer Schwanz. Emilia starrte den Bock fasziniert an. Dieser aber stellte sich ungerührt vor die versammelte Schafherde und verkündete mit stolzgeschwellter Brust:
Ich heiße Hanibal und ihr seid ab sofort meine Untertanen. ICH bestimme und ihr gehorcht. Kapiert?! Also los. Du da, dummes Schaf, sag, wie du heißt!“
Emilia hauchte:
Ich heiße Emilia!“
Gut, dann komm her, ich will auf dich steigen!“
Wow, das nennt sich aber mal zielgerichtet. Der wusste, was er wollte. Emilia fühle sich geehrt. Aber plötzlich fiel ihr ein, dass sie ja ein Schaf war. Ein schön gelocktes dazu, wohlgemerkt, aber immerhin ein Schaf und keine Ziege. Und da sprang sie hervor und blieb vor Hanibal stehen und verkündete:
Hanibal, lass dir gesagt sein, ich bin zwar nur ein dummes Schaf mit Locken, aber ich habe keine Lust, dass du auf mich steigst! Kapiert?!“
Als sie das verkündet hatte, bekam sie Schluckauf vor Schreck, ließ es sich aber nicht anmerken. Und schaute einfach weiter dumm aus der Wäsche. Hanibal jedoch war über so viel Dreistigkeit so erstaunt, dass er erst einmal kräftig furzte. Igitt, was für ein Gestank. Emilia war so dermaßen angewidert, dass sie ihrerseits erst einmal rülpste und so standen sie beide da in ihrem Gestank und wussten nicht weiter. Jesses, wann hatte es das gegeben. Der Bauer kam und trennte die beiden und Hanibal musste in den Stall in eine kleine, enge Box. Tja, Hanibal, das hast du nun davon. Einer Dame mit schönen Locken, wenn auch dumm, und auch noch von anderer Rasse, begegnet man eben mit mehr Höflichkeit. Bedenke dies in Zukunft, stolzer Bock, es könnte nützlich sein!




Amina und der alte Mann mit dem Spaten

Amina ging den schmalen Steig entlang und sah schon von weitem, wie der alte Mann sich über seinen Spaten beugte und den ersten Stich tat. Er sah sie nicht. Er sah überhaupt nichts, wie es schien. Außer den Spaten, mit dem er in die Erde stach. Amina ging weiter und blickte auf diesen Mann, der da so bedächtig seinem Tagwerk nachging. Ja, Bedächtigkeit und Ruhe waren das, was er ausstrahlte.
Sie wählte einen kleinen Umweg, um noch einmal zu sinnieren über das, was sie ihm erzählen wollte. Doch ein Vogel hoch oben im Wipfel eines Baumes schmetterte so voller Inbrunst sein großes Lied, dass Amina alles wieder vergaß und nur horchte. Es war ein schlichtes, aber großes Lied, dass der Vogel dort oben sang.
Amina ging weiter. Und als sie durch die Gartenpforte trat, sah sie, dass der alte Mann mit seiner Arbeit schon ein gutes Stück weitergekommen war und die Erde nun fett und schwarz glänzte. Nichts als ungeteilte Aufmerksamkeit für diese Erde schien in ihm zu sein. Amina wurde still und setzte sich auf eine kleine verwitterte Bank, die am Lattenzaun angenagelt war. Schon grün war sie im Laufe der Jahre geworden, ein wenig schief und auch fehlte schon ein Stück an einem Brett. Und wie Amina so dasaß und dem alten Mann zusah, überkam sie ein Gefühl. Doch dieses Gefühl war so sehr INNEN, dass sie nicht darüber sprechen konnte. Vielleicht würde ihr eine Träne herauslaufen. Vielleicht würde sie einfach nur tiefer atmen oder aber beginnen zu lachen. Sie wusste es nicht. So blieb sie einfach auf der grün verwitterten Bank sitzen und beobachtete den alten Mann bei seiner Arbeit und horchte auf den hellen Gesang aus den Baumwipfeln.




Bertrine und der Schatten

Und wieder war ein Tag vergangen und Bertrine ging des Abend noch einmal über den Hof, um nachzusehen, ob das Vieh auch gut versorgt. Der Mond schien über das Anwesen und so konnte sie ruhigen Schrittes ihre Runde drehen. Ein Schatten aber zog ihre Aufmerksamkeit auf sich und ihre Nackenhaare begannen sich zu sträuben. Wer versteckte sich da im Gebüsch? War es jemand, der sie zu überfallen trachtete? Unwillkürlich zog sie ihre Jacke enger um sich und sah zu, dass sie wieder ins warme und hell erleuchtete Haus kam. Plötzlich knackten Zweige und aufgeregte Vögel flogen aufgescheucht fort. Bertine spürte eine Gänsehaut über den Rücken ziehen und begann zu laufen. Mit keuchendem Atem erreichte sie ihr Haus und schloss ganz fest die Tür hinter sich. Dreimal den Schlüssel im Schloss gedreht und im ganzen Haus die Vorhänge zugezogen, das Licht ausgeschaltet und dann durch einen Spalt der Gardinen nach draußen gespäht, was sich dort tat. Vorsichtshalber die Schrotflinte aus dem Gewehrschrank geholt und griffbereit in der Nähe abgelegt. Wer war dort draußen und was wollte er? Wusste er, dass sie allein zu Hause war? Dachte er, bei ihr gäbe es etwas zu holen? Sie war alt und besaß keine irdischen Schätze. Sie spähte und spähte und da! Was war da? Da war der Schatten wieder. Puh, ihr ward ganz kalt ums Herz und alles in ihr zog sich zusammen. Jetzt kam der Schatten auch noch auf das Haus zugesprungen und sie hörte die Tür knarren. Mein Gott, was wollte der? Was sollte sie nur tun? Lautlos schlich sie zur Tür und verharrte dort. Und da, wieder etwas. Ein Kratzen. Immer wieder! Sie nahm ihr Gewehr und stellte sich in Position, bereit für den ersten Schuss. Auf einmal aber ertönte ein leises: „Miau!“ und wieder kratzten Pfoten an der Tür. Bertine musste laut lachen über sich selbst und machte die Tür weit auf. Wer also kam da hereinstolziert? Meister Jakob war es. Schnurstraks lief er zu seinem Platz hinter dem warmen Ofen, machte es sich dort gemütlich und alles war wieder in Butter. Ja, so sind die Frauenzimmer! Sich aufregen da, wo nicht nötig und das Gewehr schon im Anschlag, wo einfach nur die Tür zu öffnen. 

Wladimir und das Warten

Etwas sollte sich ändern im Leben Wladimirs, aber er wusste nicht, was. So wartete er, wartete und wartete und hoffte auf den großen Wandel, auf den großen Gewinn oder auf das plötzliche Auftauchen seiner Traumfrau. Aber Gott, auf den er auch hoffte, blieb still. So war er voll des Ärgers, dass er nicht das bekam, worauf er so sehnsuchtsvoll wartete. Warum, verflucht, dauerte das Warten so lange? Ein Tag, noch ein Tag und noch ein weiterer. Es kam Wladimir so vor, als wenn sein gesamtes Leben nur noch aus dem Warten bestand. So saß er da in seiner Stube in seinem Sessel und wartete und wartete und wartete. Und nichts geschah. Tag für Tag rein gar nichts. Es wurde Herbst, es wurde Winter. Es wurde wieder Frühling und auch Sommer. Er saß und saß und eines Tages aber sprang er plötzlich auf aus seinem Sessel und begab sich vor die Tür und verkündete den verdutzten Nachbarn: „Meine Freunde, ich bin des Wartens überdrüssig, ich bin des Sitzens müde. So mache ich mich nun auf und warte nicht mehr. So erhebe ich mich aus meinem Sessel und sehe dann, was sich ereignet. Es ist ein Großes, ich weiß. Ich zittere ein wenig, ihr seht. Aber ich denke: Verwarte nicht dein ganzes Leben!“
Und so ging Wladimir hinaus und knechtete tagein und tagaus. Nie gönnte er sich eine Rast, unermüdlich rackerte und ackerte er vor sich hin. Sicher, dass sich sein Leben nun gewandelt, meinte er glücklich werden zu müssen. Doch, oh Weh, er wurde es nicht. Im Gegenteil, seine Unzufriedenheit schien sich zu vergrößern, so sehr er auch wütete und schuftete. Da schmiss er den Spaten hinfort, stopfte sich seine Pfeife und begann zu sinnieren. Was machte er da nur? Was war richtig, was war falsch?
Plötzlich wurde er gewahr, dass in seiner Nähe friedlich ein Esel graste, den er doch wahrhaftig ganz übersehen hatte. Schön war er anzusehen und Wladimir dachte bei sich:
Was warst du selbst doch für ein Esel! Die Lösung liegt doch auf der Hand!“
Er nahm daher einen langen Strick und band ihn dem Esel vorsichtig um den Hals. Dieser aber war geduldig und ganz anders, als man gemeinhin von ihm dachte. Er führte Wladimir fort und setzte dabei vorsichtig Huf vor Huf. Abgründe erkannte er, schmale Pfade fand er, Lichtungen suchte er und Berghänge erklomm er. Nichts schien ihn zu fürchten. So folge der alte Mann dem Esel auf seinen Wegen und setzte sich auch schon mal auf den Rücken und ließ sich für eine Weile tragen. Saß weniger bequem als in seinem Sessel, doch schien ihm gerade dies ganz recht. Von Tag zu Tag erwartete ihn eine andere Aussicht und er erkannte, dass es gerade das war, was er sich so sehr ersehnt und was ihm schmerzlich gefehlt. Sich führen zu lassen und in Bewegung zu sein und den Wandel zu spüren und selbst aber auch Schritte zu gehen.

Eines Tages dann kam er an einen Ort, wo sein Herr zu ihm sprach und sagte: „Wladimir, es ist gut. Wladimir setze dich. Wladimir, HÖRE! Wladimir, ICH BIN DA!“ 

Als die Lotusblüten ihre Knospen zeigten

Wer weiß wohl, wie mir zumute ist? Jetzt, nachdem dies alles vollbracht! Es war ein Stück des Weges, das beileibe nicht einfach gewesen. Aber die Sterne kündeten schon vorher, dass eine Wende in Sicht. Dennoch, mein Gebieter sah nicht nach mir, lange Zeit. Und so fror ich entsetzlich. Wie dem auch sei, nun ist alles rundum anders geworden und nur der hellsichtige Elanus sah dies vorher. Ich glaubte ihm und das war meine Rettung. Wir brauchen doch alle Hoffnung, die begründet, nicht wahr? Oh, die Götter wussten, was wohl für uns ist und ich danke ihnen für ihre Hilfe. Glaubt mir, ohne sie, wir wären verloren. Doch als alles anders zu werden begann, wurde mein Herz wieder froh und die Farben rundum klarten auf. Mein Seelenleben begann sich wieder zu regen und eingefrorene Gefühle belebten sich neu. Die Winterzeit war eine lange und frostige gewesen und der Frühling ließ lange auf sich warten. Die Lotusblüten zeigen ihre ersten zarten Knospen, doch schon lässt sich erahnen, was darin verborgen. Ich heiße euch willkommen und zudem bin ich von Licht durchtränkt. Mein Lachen schallt durch die Gemäuer und dies belebt auch die anderen dieses Hofes. 


Eins mit den Rindern

Persilee war so etwa 5 Jahre alt und wohnte in einer mittelalterlichen Stadt mit grauen Häusern an einem Hang. Die Häuser waren in einem Kreis angeordnet, die Straßen hatten noch Kopfsteinpflaster und die Häuser standen dicht gedrängt aneinander. Nun geschah in dieser Stadt nicht besonders viel, das Leben verlief ruhig plätschernd vor sich hin. Doch eines Tages kam ein Fremder in diese Stadt und brachte frischen Wind in die geschlossene Gemeinschaft. Er war weit gereist und suchte einen Rastplatz zum Übernachten, um sich auszuruhen für ein paar Tage. Persilee aber war ein neugieriges Kind und brannte darauf, Neues zu erfahren. Also hielt sie sich immer in der Nähe dieses Fremden auf, sicher geschützt durch eine Hecke, hinter der sie nicht gleich zu entdecken war. Um den Fremden scharrte sich stets eine kleine Gruppe von Bewohnern, die ebenso begierig waren, seine Geschichten zu hören. Und an einem dieser Tage hörte Persilee eine spannende Geschichte, die sie ihr ganzes Leben begleiten sollte:
Hört ihr Leute, da, wo ich herkomme, da ist das Leben ganz anders. Da, wo ich herkomme, scheint die Sonne von früh bis spät und die Menschen verkriechen sich am Mittag in ihren Hütten, weil sie es leid sind, so heiß beschienen zu werden. Aber hier bei euch, da verehrt man die Sonne und kriecht aus den Häusern, sobald sie erscheint. Ihr könnt euch also vorstellen, wie weit ich gereist bin und das alles zu Fuß. Es ist schon eine Weile her, da kam ich durch ein breites Flussbett und eine kleine Horde wilder Kühe begleitete mich. So war ich nicht allein und in guter Gesellschaft. Milch hatte ich genug zum Trinken und warme Leiber, um mich an ihnen zu wärmen. Zutraulich waren sie alle und sogar die kleinen Kälber waren immer in der Nähe. Ihr werdet es nicht verstehen, aber ich fühlte mich völlig eins mit mir und ihnen und diese Art von Gesellschaft war mir allemal lieber als manche, die ich unter Menschen erlebte. Kein unnötiges Geschwätz, keine leeren Worte, nein, ich war unter meinesgleichen. Für euch mag sich dies vielleicht seltsam anhören und ihr seid es gewohnt, euch anders unter den Rindern zu bewegen, aber bedenkt, da, wo ich herkomme, scheint den ganzen Tag die Sonne und verkriechen sich die Menschen in ihren Hütten, wenn es ihnen zu heiß wird und dieses Land, in dem ihr lebt, ist weit weit weg von dem Leben, das ich lebte.“
So war die Geschichte, die Persilee hörte und sich wünschte, sie hätte auch solch innige Freundschaft mit einem Tier. Und tatsächlich sollte sie in ihrem ganzen Leben danach trachten, so eine Beziehung zu den Tieren zu finden. Ja, so war das.


Unschuldige Liebe

Aimee war in dem Jahr, in der diese Geschichte spielt, noch sehr klein, aber der Nachbarsjunge liebte sie auch schon damals. Nur, dass sie so dünne lange Beine hatte, das störte ihn mächtig. Sie trug kariert zu der Zeit und die Röcke waren kurz. Aber sexy, fand Joldan, war was anderes. Jedenfalls hatte sein Vater ihm das gesagt und was er selbst fand, wusste er noch nicht. Aber wie sie immer in den Apfelbaum stieg und er von unten ihr Höschen sehen konnte, das fand er toll. Aimee wusste das wohl auch, aber sie sprachen natürlich nie darüber. Das verstand sich von selbst. Sie waren ja noch klein und hatten keine Ahnung von derlei Dingen. Später änderte sich das dann, aber da war die Unschuld schon den Bach runter und solche Kleinigkeiten nicht mehr der Rede wert.